Beratung ist im internationalen Kontext ein eigenes Konzept der Hilfeleistung für Menschen. Als „Counseling" ist Beratung entweder dem „Mikrosystem" Familie zugewandt oder den „Mesosystemen" Beruf/Arbeit/Nichtarbeit, Freizeit, Bildung etc. und schließt dann auch Supervision und Coaching mit ein.

Beratung von Mikrosystemen wie Familie, Ersatzfamilien oder von „existentiell bedeutsamen Beziehungssystemen" (die alle vom Problem mit betroffenen, ihm nahe stehenden und an seiner Lösung interessierten Menschen umfassen) wird eher als psychosoziale Beratung charakterisiert. Die Lösung psychosozialer Probleme ist primärer Gegenstand der Familienberatung / Systemischen Beratung. Sie ist eng mit der Geschichte und Entwicklung der Familientherapie verknüpft. Sie grenzt sich im Hinblick auf die Gegenstandsbestimmung wesentlich von der Familientherapie als Psychotherapieverfahren ab, nutzt aber die Elemente des systemischen Diagnostizierens, das systemische Interventionsrepertoire, die komplexe Ziel- und Auftragsklärung, die Ressourcen des Kontextes u. a. m.

Systemische Beratung bezieht sich auf die Grundlagen der Systemtheorie und erklärt das Verhalten von Menschen nicht isoliert aus deren inneren Eigenschaften heraus, sondern aus ihren Beziehungen untereinander und zu ihrer Systemumwelt. Familienberatung / Systemische Beratung zielt – genau wie die Familientherapie – ab auf die Erweiterung von Wahrnehmungs- und Handlungsmöglichkeiten. Familienberatung / Systemische Beratung ist aufmerksam für den Kontext der Ratsuchenden, sie achtet deren Ressourcen und Autonomie. Sie pflegt einen respektvollen Dialog mit dem beraterischen Gegenüber.

Eine genaue Differenzierung von Familientherapie und Familienberatung ist in der Fachwelt umstritten, da Experten der Familientherapie ihr Tun im umfassenden Sinne als Beratung verstehen und weil in Kontexten der Familienberatung immer wieder auf therapeutische und heilende Faktoren hingewiesen wird. Der „zeitliche Korridor" von Beratung ist allerdings anders als in der Therapie; in kritischen Lebensumständen sollen in der Beratung kurzzeitige handlungs- und alltagsbewältigende Lösungen gefunden werden. Aus systemischer Sicht ist es ein zentraler Punkt, wie sich die Differenzierung von Beratung und Therapie auf dem Hintergrund der Ziele der Ratsuchenden entwickeln und wie diese die helfende Beziehung selbst definieren. Beratungsfachleute glauben, dass auch die Problemtiefe ein unterscheidender Indikator zwischen Beratung und Therapie sein könnte. Möglicherweise braucht der/die Berater/in eine noch schnellere und konsequentere Entschiedenheit in Diagnostik und Hypothesenbildung.

Beratung wird sich als eigenständige Disziplin weiterentwickeln, sie wird sich an unterschiedlichsten gesetzlichen Rahmenbedingungen orientieren und als eigenständige Disziplin Wege der Akademisierung gehen.

(Renate Zwicker-Pelzer / DGSF 2008)